Spieluhr

Mit tränenden Augen saß sie vor ihrer Spieluhr und drehte den Schlüssel. Der Takt der Melodie ertönte und summte durch ihre Ohren. Langsam drehte sich das Zahnrad und Ton für Ton erfüllte die Leere mit einem traurigen Lied. Immer wieder blickte sie auf die goldene Halskette. Das goldene Kreuz funkelte im Licht der kleinen Schreibtischlampe. Zögernd griff sie mit ihren zierlichen Fingern nach ihr, hob sie vor ihre Augen und betrachtete es. Wie das Kreuz an der dünnen Kette hing, mit den feinen Maschen und einer noch feineren Handarbeit, welche die meisten womöglich nicht zu schätzen wissen. Das Muster auf dem Kreuz war verschnörkelt wie die Schriften, welche sie neulich in der Bibliothek gesehen hatte. In einem Buch voller künstlerisch perfektionierten Bildern und der verzierten Schrift. Nach und nach fing sie an die Melodie nach zu summen. Zunächst leise. Jedoch von Ton zu Ton lauter bis sie in der gleichen Lautstärke der Spieluhr ihre Stimme erklingen lies. Langsam legte sie die Kette in die Spieluhr und öffnete die Schublade ihres Schreibtisches, zückte Block und Stift raus und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Gefühlvoll schrieb das Mädchen auf das Blatt „Liebe Mama, lieber Papa“ und atmete auf. Ihr Herz pochte und es schien, als würde es lauter als die Spieluhr schlagen. Doch es war Zeit, der Brief musste geschrieben werden. Das Mädchen wusste, dass sie bereit war und zog ihre Strähne aus ihrem Gesicht und folgte mit dem Brief vor.

„Es vergeht kein Tag an dem ich euch nicht vermiss. Der Duft von dem leckerem Essen welches du immer gemacht hattest, Mutter. Die Umarmung Papa, die du mir gabst als ich vor Liebeskummer weinend in meinem Bett lag. Eure Witze die ihr über meinen ständig wechselnden Klamottengeschmack gemacht hattet. Einfach eure Stimme, die schon in der Früh ertönte. Im Chor rieft ihr mich immer Frühstücken. Wie du es jede mal geschafft hast Papa, dass sobald ich mich an den Tisch saß und dein Lächeln sah und mich zum Lachen gebracht hast. Ich weiß noch ganz genau wie ich als Kind noch von euch zur Schule begleitet wurde. Vor der Schule eine Umarmung bekam und mir egal war was die Leute dachten, weil ich einfach glücklich war. Nach der Schule wartet Papa immer im Auto und hörte seine schräge Musik. Hätte ich gewusst was passiert wäre, dann hätte ich sogar die Musik genossen. Keiner hätte damit gerechnet das es eines Tages so endet.

Ich muss heute noch lachen, wie wir Zu Hause saßen im Wohnzimmer, Spiele spielten, bei der Mama mich gerne mal abgelenkt hat, nur das Papa schummeln konnte. Hätte ich gewusst das ich euch nicht mehr sehen könnte hätte ich am Liebsten nie aufgehört mit euch am Tisch zu sitzen. Doch dann kam der Tag. Ihr wolltet nur Einkaufen fahren. Ich blieb daheim um meine Hausaufgaben zu erledigen, bis mich ein Anruf aus dem Alltag riss. Oma stammelte ins Telefon das ihr in einen Unfall geraten seid. Papa, du seist schon am Unfallort gestorben. Mama erlag an den Folgen des Unfalls. In dem Moment, indem ich es erfuhr, brach die Welt für mich zusammen. Ich brach in die Knie und hoffte, dass alles ein schlechter Traum ist und ich wieder aufwachen würde. Noch nie in meinem Leben flossen so viele Tränen über die Wange. Ja Mama, sogar als ich mir die Knie beim Fahrradfahren aufschürfte waren die Tränen nicht mal annähernd in der Menge vorhanden wie in diesem Moment. Papa hätte gleich gesagt das wir alle ertrunken wären an den Tränen. Natürlich wäre das nur ein Witz gewesen. Nun hab ich nurnoch Papas Kette und Mamas Spieluhr und die Erinnerung an euch. Kein Wort kann beschreiben wie sehr ihr mir fehlt, wie sehr ich mir wünschen würde euch einfach in den Arm zu nehmen. Ein einfaches „Hallo“ zu bekommen oder einen liebevollen Blick zu bekommen. Ich werde euch nie vergessen!“

Die Spieluhr war inzwischen aus und das Mädchen legte den Stift in die Schublade. Sie faltete den Brief und legte ihn in eine Couvert. Zuletzt griff sie in die Spieluhr und nahm die Kette. Langsam und vorsichtig zog das Mädchen das Erinnerungsstück an, schloss die Spieluhr und verließ das Haus.

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