Schwarz-weiße Welt

Tagtäglich lief der 17-jährige Junge die gepflasterten Straßen der Stadt nach Hause. Stillschweigend und mit gesenktem Blick ging er Schritt für Schritt auf den unebenen Steinen. Mit den Gedanken völlig abwesend von der Umwelt, nahm er nicht einmal die verachtenden Blicke der anderen wahr. Es schien als würde das Schicksal es böse mit ihm meinen. Dabei begann doch alles ganz anders:

An einem sonnigen Sommertag saß der Junge mit ihr auf einem Hügel fern von der Großstadt. Ihr liebliches Parfum lies sein Herz pochen. Sie schaute ihn mit ihren blauen Augen an. „Ich mag dich, wirklich sehr.“, sprach sie und nahm seine Hand. Immer wenn sie seine Hand nahm, verspürte er solch eine Fröhlichkeit, dass er am liebsten aufspringen würde und die ganze Welt umarmen könnte. Doch würde er dies tun, müsste er sie loslassen, deshalb blieb er still sitzen und schaute ihr in die funkelnden, vertrauenswürdigen Augen. Hätte er gewusst was passieren würde, wäre er aufgesprungen und hätte sie umarmt und nie mehr losgelassen. Doch wer konnte schon wissen, was passiert? „Ich mag dich auch.“ Mehr, als ich jemals beschreiben könnte!“, antwortete er, worauf sie ein breites vor Glück strotzendes Lächeln zeigte. Er war glücklich, mehr als der Junge es sich wünschen konnte.

Tag für Tag trafen sie sich, um zusammen zu reden und sich stundenlang stillschweigend anzusehen. Immer kam der Junge eine halbe Stunde früher, damit er das Mädchen so schnell wie möglich wieder sehen zu konnte. Dies ging regelmäßig weiter. Eines Septembermittags wartete er besorgniserregend lange auf sie. Es war bereits 15 Uhr, dabei trafen sie sich immer um 14 Uhr. Er schrieb ihr mehrere SMS, jedoch keine Antwort. Rätselnd blickte der Verliebte sich um, als plötzlich seine Handy klingelte. „Hallo, wo bist du?“, begrüßte er den Anrufer, da der Junge dachte es handele sich um das Mädchen. „Tut mir Leid, aber sie wird nicht kommen. Du solltest lieber vorbei kommen.“, sprach die Mutter des Mädchens. „Warum? Was ist passiert?“, antwortete er mit voller Sorge, doch sie hatte bereits aufgelegt. Der Junge sprang auf und rannte, als würde ihn eine Herde Raubtiere verfolgen.

Bei der Mutter angekommen, klingelte er. Sie öffnete die Tür, wobei ihm sofort die tränenden Augen auffielen. „Was ist los? Was ist passiert?“, wiederholte er seine Frage, die er schon im kurzen Telefonat äußern wollte. „Es geht um …“, stotterte die Mutter. Nun wusste der Junge sofort was gemeint war. Es ging um die Person, die er tagtäglich sah und am liebsten sein ganzen Leben lang tun würde. „Komm bitte kurz rein.“, sprach die Frau. Er hinterfrage ununterbrochen was los sei, doch sie schwieg. Als die Beiden im Wohnzimmer auf der Coach saßen, fing die Mutter an zu erzählen. „Du weist, sie hatte dich wirklich gern. Heute nach der Schule kam sie kurz nach Hause, schmiss die Schultasche auf den Boden, zog sich um und stürmte wieder raus. Wenige Minuten später wurde ich angerufen, dass ich sofort ins Krankenhaus kommen solle.“, erzählte sie mit bibbernder Stimme. „Was ist mit ihr? Ich will sie sehen!“, schrie er und stand auf. „Ich will sofort zu ihr. Fahren wir zu ihr!“, fügte er hinzu. Sie schaute ihn an und antwortete langsam und voller Trauer: „Sie … Sie … Tut mir Leid … Sie wurde von einem LKW angefahren und starb im Krankenhaus.“. Eine Träne lief ihm die Wange hinab und hob dann seine Hände vor das Gesicht. Nuschelnd sprach der Junge: „Nein! Nein! Das kann nicht sein. Das ist alles ein böser Traum. Das darf nicht wahr sein!“.

Nach dem herzzerreißendem Gespräch macht er sich auf den Heimweg. Alles um sich herum schenkte er keinerlei Beachtung. Eine Gruppe Teenager zog an ihm vorbei und rief: „Hey, wie geht’s dir?“, und lachten laut. Er schwieg und lief einfach weiter. „Was´n mit dem los?“, rätselte eines der Gruppenmitglieder. Sie schauten ihn an und einer entschloss sich vor den Jungen zu stellen. Der Junge jedoch wich ihm aus, ohne eines Blick zu wagen. Rätselnd schauten die Teenager ihn an und versuchten ihn anzusprechen. Der Junge jedoch schwieg weiter.

Schritt für Schritt bewegte er sich immer weiter in Richtung seines Hauses. Plötzlich blieb er stehen, sackte in die Knie und hielt die Hände vor seinem Gesicht. Murmelnd stammelte der Junge vor sich hin: „Nein! Das ist alles ein Traum!“.

Tage verging und er fing an weniger zu essen. Selbst seinen Fußballverein besuchte er nicht mehr. Es kam ihm vor, als würde er in einer schwarz-weißen Welt leben, indem alles, was ihm wichtig war, genommen wurde. Er vernachlässigte seine Freunde, saß im Unterricht mit leblosen Blick da und schwieg. Nach und nach begannen seine Freunde ihn immer weniger zu verstehen, denn er hatte keinem etwas erzählt. So kam es dazu, dass er immer mehr alleine in der Pause saß und die Schüler ihn nur mit lästernden Blicken anschauten. So lief er immer von der Schule nach Hause, die Augen auf den dreckigen kalten Asphalt gerichtet. Hinter ihm die verachtenden Menschen, die sein Verhalten nicht verstanden und ihn als Freak bezeichneten. Vor ihm eine graue Zukunft, ohne einen einzigen Hoffnungsschimmer in seiner schwarz-weißen Welt. Hätte er gewusst was passieren würde, hätte der Junge sie an diesem Tag abgeholt, sodass er an dem Hügel mit ihr sitzen könnte, den er selbst nach ihrem Tod besucht. Abend für Abend saß der Junge dort, mit dem einzigen Gedanken, das er sie nie vergessen werden wird.


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