Ich lebe im Wissen

Als wäre das nicht genug. Ein Junge, der gerade mal 13 war, entzogen von Mutter und Vater wohnt, mutterseelenalleine in einer Pflegefamilie, welche durch ihr seltenes Beisammensein auffällt. Tag für Tag vergeht, an den er seine Eltern vermisst. Nicht seine Pflegeeltern, sondern seine biologischen Eltern. Ihr Aussehen, ihren Geruch, ja sogar ihre Nörgeln, welches Tag täglich für Probleme in der Familie sorgte. Doch dies war im lieber, als das jetzige Leben, das nur durch Langeweile, Desinteresse der Erzieher und ihr ständiges Abwesend gezeichnet war. Immer wieder saß er an dem Kamin, der vermutlich deutlich teurer war als sämtliche Einrichtung in seinem alten Kinderzimmer. In Schweigen versunken las er Bücher, welche ihn aus der kalten Welt der Gefühlslosigkeit in Paradiese versetzte, welche er in seinen Träumen fortsetzte. Von Robin Hood bis Schiller las er alles. Schiller, ja recht ungewöhnlich für sein Alter, lies ihn seine Denkweise vertiefen. Doch auch Goethe, dessen Reime bei dem Jungen immer wieder für Herzklopfen sorgte, war sehr beliebt bei dem Jungen. So fing er an von den Kinderbüchern sämtliche zu lesen, bis nur noch Werke von Schiller und viele andere übrig waren. Gezeichnet von dem erlangtem Wissen, versetzte sich der Junge immer wieder in Gedankengänge, welch manch ein andere Junge seines Alters als sinnlos empfand. Doch die Erkenntnisse, welche die Schüler sonst nur im Unterricht erlangten, stellte dieser durch das Lesen all der Romane fest.

So las der Junge Tag für Tag, Buch für Buch, bis er 18 geworden war und sich entschloss in die weite Welt zu reisen. Der „moderne Schiller“ nannte er sich selbst, wie er immer wieder hinaus rief. Ein „wahrer Kenner der Literatur“ war er, das behauptete dieser. Doch war all das Wissen ihm nichts nutze, wenn er Liebe, Zuneigung und Freundschaft nie erfuhr. Was bringt ihm als das Wissen der Welt, wenn ihm das wesentliche fehlte. Von Schiller bis Goethe, von Freud bis Mark Twain. All diese Werke besetzen diesen Kopf, doch kein Gedanke war mehr an seine biologische Familie übrig. Verdrängt von dessen Trauer und Schmerz, seiner Langeweile und dem Gefühl allein zu sein, mauerte er sich in eine Festung aus Wissen und Kummer. Dabei war das Wissen der Stein und der Kummer der Beton, auf dem er das Wissen stapelte. Doch so reich und doch so arm. Reich an Wissen, arm am wahren Leben. Abgeschnitten von der Öffentlichkeit und doch völlig integriert. So allwissend beim Thema Menschen, doch so ahnungslos über die Realität. Zu zeigen, dass all das Wissen der Welt einem nichts Nutze ist, wenn man Freundschaft, Liebe und Freunde nicht erfährt.

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